Rezension: “Chefsache Digitalisierung 4.0.”, Reinnardt / Schuster / Möllendorf / Lutz (2018)
Reinnardt, Jörg; Schuster, Claus; Möllendorf, Jan; Lutz, André (2018) Chefsache Digitalisierung 4.0. Wiesbaden: Springer Gabler.
Von Josef G. Böck
Für das Buch Chefsache Digitalisierung 4.0 haben sich vier Marketingprofis zusammengetan, die jeweils an verantwortlicher Position in ihren Beratungshäusern mit einer Ausrichtung auf Marketing und Vertrieb arbeiten. Jörg Reinnarth bezeichnet sich als führender Experte im Cross Channel Kundenmanagement, zu den Kernkompetenzen von Claus Schuster, Jan Möllendorf und André Lutz gehören das Dialogmarketing und verwandte Themen. Jeder der vier Autoren gestaltet eines der vier großen Abschnitte des Buches, die sich um Megatrends zur Digitalisierung (Reinnarth), Strategische Ordnung für die digitale Transformation (Schuster), Unternehmenskultur und Menschen (Möllendorf) und Markenführung in digitalen Welten (Lutz) drehen. In jedem Abschnitt zeigen die Autoren, dass sie wissen, wovon die schreiben und dass viel praktische Erfahrung in ihre Texte geflossen ist.
Bei der Konzeption der vier Buchteile war wohl das Ziel, das Wissen kompakt darzustellen, das sie in der Akquisephase oder zum Projektstart den Entscheidern auf Kundenseite immer wieder vermitteln müssen, um eine gemeinsame Basis zu schaffen. Wie es bei solchen Büchern oft der Fall ist, beweisen die Autoren gegenüber ihren Interessenten und Kunden damit Kompetenz und stellen das Thema gleichzeitig aus ihrer Perspektive und ihrer Praxiserfahrung dar. In allen vier Teilen liefern die Autoren kompetente Darstellungen ihre Fachgebiete und der darin gebräuchlichen Begriffe und Konzepte. Big Data, Artificial Intelligence, Managed Services, Consumer Centricity, Multichannel, Touchpoints oder Markenführerschaft werden anschaulich und fundiert erklärt. Wer sich mit diesen Begriffen noch nicht beschäftigt hat, der findet hier einen schnellen Einstieg. Die Erklärungen haben keinen speziellen Branchenfokus, auch wenn viele der Ausführungen vor allem durch die Erfahrungen der Autoren im Handel und im B2C-Geschäft geprägt scheinen. Die Inhalte schöpfen die Autoren aus ihrem eigenen Wissen, Verweise auf weiterführende und tiefergehende Literatur finden sich kaum.
In seiner Darstellung der in kurzen Passagen abgehandelten Megatrends erklärt Jörg Reinnarth das Funktionieren von Kapitalismus, von Monopolen, von Bargeld oder auch von Markteintrittshürden im digitalen Zeitalter mit einer Selbstsicherheit, die diejenigen Leserinnen und Leser immer wieder irritieren wird, die sich selbst mit den Begriffen beschäftigt haben. Ab und an möchte man als Leser die Hand heben und einwerfen, dass zum Beispiel beim Monopol oder zur Aufgabe des Staates bei der Digitalisierung durchaus unterschiedliche Meinungen auf dem Tisch liegen und dass die These, dass alle Menschen nach sozialer Gerechtigkeit streben, nicht unumstritten sein dürfte. Trotz der Überzeugung des Autors, dass zur Umsetzung der digitalen Transformation in den Unternehmen auch eine Wertediskussion notwendig ist, laufen alle Beiträge des Buches darauf hinaus, dass die Autoren die Leser davon zu überzeugen versuchen, dass die digitale Transformation etwas ist, bei dem sie strukturiert und kompetent mitmachen müssen und dass es fürs Gelingen zum einen informierte Chefs braucht und zweitens gute Berater. Dass die Autoren keinen Zweifel daran lassen, wie sehr sie sich auf dem Weg der Transformation als Vorreiter und Vorbilder sehen, zeigen sie, indem sie aus ihren eigenen Unternehmen und den darin angewandten Methoden Empfehlungen für die Leserinnen und Leser ableiten (Tradition der Trendreisen, Gesellschafter als Vorbilder).
Dem Format des Sammelbandes ist geschuldet, dass die Beiträge nicht frei von Redundanzen und ohne großen gemeinsamen Spannungsbogen sind. Die einzelnen Kapitel beziehen sich nicht aufeinander und verweisen nicht auf die Ergebnisse der jeweils anderen Abschnitte. Datengenerierung, Multichannel, Partizipation und Customer Touchpoints – um nur einige Themen zu nennen -, werden aus mehreren Richtungen beleuchtet, weil sie eben in alle vier Kontext gehören. Dieses Problem hätten die Autoren mit einer anderen Schwerpunktwahl für ihre Kapitel verkleinern können.
Der Titel des Buches suggeriert eine umfassende Beschäftigung mit Digitalisierung als Chefsache. In Wirklichkeit beschränken sich die Ausführungen auf Marketing und Vertrieb. Andere aktuelle Brennpunkte der Digitalisierung wie beispielsweise die Digitalisierung des Personalwesens, dem Internet of Things oder dem Einfluss von Digitalisierung auf die Produktivität in Unternehmen kommen nicht oder nur am Rande vor.
Für Cheffinnen und Chefs, die sich schon länger mit der digitalen Transformation ihrer Unternehmen beschäftigen, bietet Chefsache Digitalisierung 4.0 keine neuen Einsichten oder gar Überraschungen. Wer einen grundsätzlichen Einstieg ins Thema sucht oder sich auf ein Digitalisierungsprojekt in Marketing und Vertrieb in seinem Verantwortungsbereich vorbereiten will, der erwirbt mit dem Buch ein sinnvolles Grundwissen für seine Arbeit an der digitalen Transformation. Gespräche mit externen Beratern wie den Autoren werden damit konkreter und effektiver.