Vertrauen als Ressource für Start-ups

Warum Vertrauen eine Ressource für Start-ups ist

Junge Unternehmer starten voller Enthusiasmus, um mit ihren Ideen und Innovationen den Markt zu erobern. Sie kümmern sich um die Marktreife ihrer Produkte und Leistungen und um erste Kunden. Je nach Branche und Geschäftsmodell brauchen sie mehr oder weniger großzügige Investoren und ein effektives Ökosystem aus aktuellen und zukünftigen Mitarbeitern, Partnern, Lieferanten und Business Angels. Sie schöpfen in ihren ersten Jahren der Existenz aus diesen Ressourcen.
Ich plädiere dafür, dass Start-ups „Vertrauen“ ganz bewusst auf ihre Agenda heben, um daraus eine weitere wichtige Ressource für ihr ganze Unternehmerexistenz zu machen.
Warum bin ich dieser Meinung?
Egal wie revolutionär die Produkte oder einleuchtend das Geschäftsmodell – Start-ups kämpfen aufgrund ihres Status mit den Stereotypen der Szene: Ihrer kurzen Existenz wird zugeschrieben, dass sie keine vollständig ausgeformte Organisation haben (können) und dass es wohl noch keine etablierte und stabile Zusammenarbeit zwischen allen Partnern in ihrem Ökosystem gibt. Neuheit bedeutet für viele Beobachter auch „hohe Sterberate“. Start-ups sind in der Regel klein, Außenstehende vermuten deshalb, dass die für Aufgaben und Wachstum einsetzbaren Ressourcen begrenzt sind. Das behindert in der Regel ihr Wachstum, weil dafür neben richtiger Finanzierung auch eine entsprechende Organisation mit eingeschwungenen Prozessen wünschenswert wäre. Start-ups sind in der Regel gründer- und eigentümerdominiert – wir erwarten deshalb einen hohen Grad an Zentralisierung und Abhängigkeit vom Einsatz des oder der Gründer. Das alles zusammen führt zu einer für Start-ups typischen Unsicherheit.
Versprechen statt Sicherheiten
Diesen Unsicherheiten begegnen Start-ups mangels anderer Möglichkeiten mit Verträgen, Zusagen und Planungen, die man im Grunde nur als Versprechen verstehen kann. Den Kunden versprechen Sie, die zugesagten Produkte zu liefern, die dann können, was das Unternehmen für sie definiert hat. Sie versichern, den Wert der Produkte und Leistungen für die Kunden hoch zu halten, indem sie sie Produkte weiterentwickeln und supporten. Da es immer um Liquidität geht, sollen all diese Zusagen die Kunden überzeugen, nicht nur auf die Produkte zu warten, sondern idealerweise auch eine Anzahlung zu leisten, damit die Produktentwicklung gesichert werden kann.
Neuen Mitarbeitern versprechen sie, ein sicherer und spannender Arbeitgeber zu sein, mit dem sie wachsen und sich entwickeln können. Sie versuchen sie auch in schwierigen Zeiten bei der Stange zu halten, indem sie ihnen eine Beteiligung am Wertzuwachs des Unternehmens zusichern und gleichzeitig beteuern, immer die Werte zu bewahren, unter denen sie sich zusammengefunden haben.
Den Lieferanten sagen sie zu, ihre Rechnungen auszugleichen oder die erhaltenen Kredite termingerecht zurückzuzahlen. Die Investoren überzeugen sie davon, dass sie die skizzierten Businesspläne umzusetzen und genügend Managementskills bereithalten werden, um das Geschäft zu managen. Und bei all dem werden sie den Wert des Investments für die Investoren vervielfachen.
Als Start-up kann man für keine diese Versprechen Beweise vorlegen – man hat ja noch keine Geschichte, aus der sich solche Zusagen als plausibel ableiten ließen. Das heißt, wer immer ein Versprechen von einem Start-up bekommt, braucht Vertrauen. Vertrauen ist eine Haltung und ein Gefühl zwischen Menschen. Vertrauen überbrückt die Lücke zwischen den Erwartungen der Stakeholder in die Versprechen der Gründer und deren Möglich- und Fähigkeiten, die Versprechen wahr werden zu lassen. Vertrauen wird damit zu einer Ressource, die nach beiden Seiten wirkt und die vieles fürs Start-up einfacher macht.
Wie arbeitet man als Start-up am Aufbau von Vertrauen?
So, wie man das Geld der Investoren einwirbt oder man in Bewerbungsgesprächen neue Mitarbeiter überzeugt, sich für das Unternehmen einzusetzen, so kann man auch den Aufbau von Vertrauen planmäßig und professionell betreiben.
Alles fängt damit an, dass man Vertrauen zu einem Wert im noch jungen Unternehmen erhebt und ihn damit in die Firmen-DNA einpflanzt. Schon allein die Tatsache, dass man sich bewusst macht, dass Vertrauen eine Ressource ist, die man „herstellen“ und pflegen will, bringt sie in den Fokus der täglichen Arbeit und lässt sie wachsen.
Dass Vertrauen zwischen den Stakeholdern dadurch entsteht, dass man offen kommuniziert, die richtigen Werte vorlebt – zu denen auch das Einhalten von Versprechungen gehört -, Verantwortung übernimmt und sich mit den richtigen Partnern und Experten zusammentut, bedarf keiner weiteren Begründung. Dass aber Vertrauen darauf beruht, dass man sich als Start-up-Unternehmer bewusst macht, welche Vertrauensbereitschaft man seinen Stakeholdern jeweils individuell abverlangt, ist nicht mehr ganz so offensichtlich. Man muss sich dafür in die Partner hineinversetzen wollen und können und auf sich selbst aus diesem Blickwinken schauen und sich fragen: was brauchen wir beide, um uns gegenseitig zu vertrauen? Nur wer diese Frage bewusst stellen und beantworten kann, ist auf dem Weg, Vertrauen zu einer Ressource zu machen. Wer dann noch die Souveränität besitzt, die dabei gewonnen Einsichten zur Richtschnur seines Handelns zu machen, wird ein vertrauensvolles Ecosystem aufbauen, das ihn über so manche Klippe hinwegtragen wird.
Vertrauen zwischen den Stakeholdern hilft nicht nur bei unvorhergesehen Entwicklungen, es macht alles einfacher. Organisationen brauchen weniger Regeln, Kunden brauchen weniger schriftliche Zusagen und Investoren weniger Zeit für Risikoabsicherungen. Vertrauen reduziert Komplexität für Start-ups und setzt damit Ressourcen frei. Deswegen meine ich: Vertrauen gehört zu den wichtigsten Ressourcen eines Start-up.

Zum PDF geht es hier: Essay Vertrauen gehört auf die Agenda von Start-ups